Gedanken
„Sind Sie eine Frau?“…
Eine typische Frage. Eine typisch männliche Frage? Ich glaube nicht, dass eine Frau mir diese Frage stellen würde, es sei denn, sie hat sich den männlichen, genauer gesagt, den phallischen Modellen gleichgestellt. Weil ‚ich‘ nicht ‚ich‘ bin, bin ich nicht, bin ich nicht eine. Und dann Frau noch dazu, wer weiß…Auf jeden Fall, in dieser Form des Begriffs und der Benennung bestimmt nicht.“
Luce Irigaray: Das Geschlecht, das nicht eins ist. Berlin 1979, 126
„Die Menschheit ist männlich,…
…und der Mann definiert die Frau nicht als solche, sondern im Vergleich zu sich selbst: sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen…..Und sie ist nichts anderes als das, was der Mann bestimmt. In Frankreich zum Beispiel nennt man sie einfach le sexe , womit gemeint ist, dass sie für den Mann in erster Linie ein geschlechtliches Wesen ist: für ihn ist sie sexuell, das heißt, sie ist es absolut. Sie wird mit bezug auf den Mann determiniert und differenziert, er aber nicht mit Bezug auf sie. Sie ist das Unwesentliche gegenüber dem Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: sie ist das Andere.“
Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Reinbek bei Hamburg 1992, 12
„Mit oder ohne Eros;…
…von der Enthaltsamkeit des philosophierenden Individuums bis zur imaginären Schwangerschaft, die im philosophischen Text virulent ist: zwischen beiden Extremen denkt der männliche Philosoph des Okzidents. Zwischen der Angst vor dem Geschlecht, das vom Philosophieren ablenkt, und der Aneignung des Weiblichen durch den Denker lässt die Philosophie wenig Platz für die Frauen, obgleich sie jahrhundertelang eine Neugierde an den Tag legen, der die Männer voller Schrecken immer wieder Grenzen setzen.“
„Wenn ich also vom Fehlen eines Philosophems spreche, so muss das präzisiert werden: Damit meine ich nicht den Ausschluss oder gar die Aussperrung der Geschlechterdifferenz aus dem Feld der Philosophie, sondern die Tatsache, dass sie keinen Status besitzt als Gegenstand, der zur Kenntnis genommen wird, weil er wirklich da ist.“
Geneviève Fraisse: Geschlechterdifferenz. Tübingen 1996, 42 und 48
„Ein weiblicher Text
…kann gar nicht nicht mehr als subversiv sein: wenn er sich schreibt, dann indem er vulkanisch die alte unbewegliche Immobilienkruste auf- und anhebt, die die männlichen Investitionswerte trägt, und nicht anders. Ist da kein Platz für die Frau, wenn sie nicht ein er ist? Wenn sie-sie ist, dann nur unter der Bedingung, dass sie alles zerschlägt, die Gerüste der Institutionen zerstückt, das Gesetz in die Luft sprengt, die ‚Wahrheit’ vor Lachen biegt.“
Hélène Cixous: Das Lachen der Medusa. Wien 2013, 53
„Neues hervorbringen…
…bedeutet weder die Wiederholung des patriarchalen Diskurses noch Regression zur archaischen Mutter. Neues hervorbringen setzt voraus, dass das Subjekt, das könnte die Frau sein, ihre ganze (unbewusste) libidinös-archaische Struktur auf sich nimmt und diese Struktur in den Akt der Symbolisierung einbringt. Es gibt keine neue Theorie, auf welchem Gebiet auch immer, ob Linguistik, Literatur, Chemie, Physik, die, sofern sie wirklich neu sind, nicht mehr und mehr die Libido in den Bereich des Symbolischen einbezieht. Ist in unseren Gesellschaften die Meisterschaft/Herrschaft( maîtrise) männlich kodiert, wie auch die Logik, die Syntax, so sind dagegen die Rhythmen, die Glossolalien auf das Präödipale, also die Mutter, das heißt auf die Frau zurückzuführen.“
Julia Kristeva: Une(s) femme(s) in: Le Grif: Essen vom Baum der Erkenntnis. Berlin 1977, 44
„Das Von-sich-selbst-Ausgehen…
…war der Weg der praktischen Philosophie, die nicht versucht, die Welt selbst zu verändern, was aus den oben genannten Gründen ein eitles Unterfangen wäre, sondern eine Veränderung meines In-der-Welt-Seins. So habe ich bemerkt, dass Selbstveränderung eine Form des Denkens ist, eine einfach, kreative Form, die täglich von den kleinen Kindern praktiziert wird. Ist das ein unabhängiges Denken? Nein. Ist es frei? Ja, es ist befreiend.“
„Es ist Kontingenz als Frau oder Mann geboren zu werden.“
Luisa Muraro: Von sich selbst ausgehen und sich nicht finden lassen: Diotima. Die Welt zur Welt bringen. Königsstein/Taunus 1999, 21 und 31
„Es bleibt jedenfalls die Tatsache,…
…dass eine Frau, weil sie vom Manne nach seinem Bilde und Unterschiede gedacht wird, über keine Gestalt verfügt, die ihr als weibliche Subjektivität Ausdruck verleihen könnte. Keine Verkörperung, die in der Lage wäre, einer eigenen, weiblichen symbolischen Ordnung Gestalt zu geben. Ganz im Gegenteil findet sich die weibliche Gestalt bereits im Imaginären des anderen Geschlechts vorgebildet und ist somit gezwungen, sich in dieser fremden symbolischen Ordnung wieder zu erkennen. Darum ist für Frauen das Bemühen, in den Allmachtsträumen des männlichen Geistes eine eigene Subjektivität – sei es durch Anpassung, sei es durch Korrektur – (wieder) zu erlangen, ein nutzlos beschwerliches Unterfangen. ….auf eine weibliche Subjektivität, die nach eigenen Gestalten sucht, antworten nur Stereotypen, die schon seit altersher von der Verschleppung des Weiblichen in das Geschick des Menschen zeugen.“
Adriana Cavarero: Platon zum Trotz. Weibliche Gestalten der antiken Philosophie. Berlin 1992, 11